top of page

Kalt, kotzig, Kaos

Das Fenster tropft. Alles grau und betonig. Wie Beton. Nicht betont(ig). Ich lebe in Graustufen. Farben gibt’s keine mehr. Keine Musik, keine Emotionen. Nur Nichts. Nass und schwer. Mich fröstelts. Die Menschenmasse umzingelt mich. Ihre Gesichter leer. Die schwarzen Mäntel sacken an den Grund, triefend, schleifend, quälend. Wie Gespenster sehen sie aus. Blass und schattenhaft. Rauch steigt aus allen Ecken auf, Brillengläser benebelt. Ein einziger Hauch, in dem ich mich befinde.

Ich erhebe mich von diesem hässlichen, petrolblauen Ledersessel unter mir und trete aus dem hässlichen, öden Café. Ich habe keinen Kaffe getrunken und kein Brötchen gegessen. Mein Magen ist leer, mein Kopf brummt leere Worte vor sich hin, mein Verstand nimmt nur Leere auf. Alles leer. Zwei Stunden habe ich in diesem Café ausgeharrt, ohne etwas zu bestellen. Mein schlaues Köpfchen hat sich an den Tisch mit den ausgetrunkenen Tassen, dem leeren Glas daneben, und den bekrümelten Tellern gesetzt. Den misstrauischen Blick der Kellnerin habe ich wahrgenommen und zurückgestarrt mit leerem Blick. Danach habe ich meine Lippen an die leere, mit billigem Lipgloss verklebte, doch nicht mehr so leere, Tasse gesetzt, puh… und so getan, als ob ich den letzten Schluck daraus trinke (obwohl die Tasse schon ausgetrunken war, ich habe sie nur noch ausgetrunkener gemacht und den klebrigen Lipgloss stückweise absorbiert). Nun hat die vollere Leere das billige Porzellan zu überwuchern begonnen. ÜBERWUCHERN. Das hat ja nichts mit Leere zu tun. Wenn man über Leere schreibt oder spricht, benutzt man Verben, die einem oder etwas, einen Teil wegnehmen. Selten wird etwas weggegeben. Ausser, das Etwas ist grosszügig und gibt gerne etwas von sich «weg». Ich glaube aber eher, dass das Etwas beraubt wird und nicht aus Spendierfreudigkeit gibt. Wenn etwas geleert wird, wird ja was genommen. Etwas, das sich selbst leert, gibt es nicht. Oder selten. Leere ist ein armer Trottel. Es wird beraubt, ausgebeutet. Schicksalsschlag.

Ausgeräumt. Oder ausgepumpt. Auspacken, ausschiffen, auskippen, ausheben, ausschütten, ausessen, ausbrechen. Zwängt man sich aus einem Käfig, ist er leer (das ist aber nicht das Gleiche wie bei allen vorhergenannten Verben. Man sagt nicht, «auszwängen», sondern einfach nur zwängen. Entweder man zwängt sich in etwas, durch etwas oder aus etwas. Letzteres hat mit Leere zu tun. Ersteres mit Beigabe.) Löffelt man den Suppenteller aus, ist er leer (oder es bleiben noch ein, zwei Tröpfchen salziger Brühe haften, aber dann ist er ja trotzdem leer. Leer können auch Dinge sein, die nicht ganz leer sind. Sie werden trotzdem als leer bezeichnet). Saugt eine Zecke dein Blut aus, bist du auch leer (und vielleicht tot). Nun aber back to the tasse. Ihr wurde ja was gegeben als sie mit Leere überwuchert wurde. Ihr wurde Leere geschenkt (Paradox? Denn man kann ja nicht Nichts schenken).

Dieses ganze Drumherum um die Leere wird mir zu viel.

Ich kotze mir all diese dummen Gedanken aus dem Kopf und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf meine latschigen Schritte. Vorher tropfte es und ich war drin, jetzt tropft es und ich bin draus'. Es tropft auf mich drauf. Irgendwie mag ich dieses Tropfen aber. Vor allem wenn die Tropfen sich für mich entscheiden. Sie entscheiden sich auf meinem struppigen Kopf zu landen und nicht etwa auf dem langweiligen Teer unter mir. Sie sterben für mich?

Amen.

Ich bin verschmolzen in der Geistermasse. Bin auch zur unsterblichen Sterblichen geworden. Ich habe Lust herumzugeistern, unsichtbar zu sein, im Hauch des Grusels zu verschmelzen. Ich will mit dem Bösen einen Pakt schliessen. Am liebsten wäre ich ein vintage demon, so wie in den Hörspielen von John Sinclair. Auch wenn ich beim Hören immer auf seiner Seite, der Seite des Lichts bin, bleibt das Dunkel äusserst verführerisch. Ich stelle es mir geil vor, wach zu sein, wenn die anderen sich unter ihrer Bettdecke verkriechen und nicht ahnen, dass ich derweilen ein satanistisches Ritual durchführe und meine Feinde auf einer verlassenen Ruine opfere. Tschau. Aber lieb bin ich lieber. Trotzdem kann ich sympathisieren mit dem Bösen. Ich glaube die Angst ist die einzige Macht, die das Böse hat. Achtung; Mindblow. Und ich denke hier wirklich nur über diese kitschigen Gruselstories aus den 80ern. Angst hätte auch ich so in real life. Aber trotz relatability droppe ich euch gerne einen Horror-Tip; Habt nie Angst. Sonst gebt ihr dem Bösen die Macht.

Ich bin so unausstehlich. Wieso denke ich so belehrend? Wahrscheinlich gibt mir das eine Sicherheit, die eigentlich nicht existiert.

Ich gaukele mir was vor.

Kotz, Bäh, Stink.

 

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Ich will

Ich will, dass alles in Harmonie lebt Dass niemand schlecht gelaunt ist Und ich nicht das Gefühl habe, es läge an mir Ich will, dass alles im Fluss ist Und die Seerosen erblühen Und die Fischlein nich

Würfeln am Weihnachtstisch

Weihnachten. Familienfeier. Meine schreiende Cousine im Ecken des Wohnzimmers; sie darf keine Bonbons mehr naschen. Um sie zu trösten, schlägt meine Tante vor, die Geschenke endlich auszupacken. Je äl

bottom of page