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Die Wut, die bleibt



"Die Wut, die bleibt" ist ein gesellschaftskritischer Roman; feministisch, ermutigend, erschreckend.

Mareike Fallwickl schreckt nicht zurück vor der harten Realität. Der tägliche Kampf der Frauen, die Erwartungen, die sie zu erfüllen haben, die Last der Mütter, die Verantwortung, die auf ihren Schultern wiegt und sie zu zerschmettern droht. All das verdeutlicht Mareike auf subtile und doch so deutliche Art und Weise in ihrem Roman.

Ich bin noch jung, habe noch nicht sehr viel vom Leben gesehen und trotzdem hat mich dieses Buch wie kein anderes berührt. Es hat mich in einen reissenden Strom geworfen von Frauen mit den gleichen Erlebnissen wie ich, mit den gleichen Prägungen wie ich und der gleichen Realität wie ich. Es war eine Erleuchtung- eine, die mir ein tieferes Verständnis meiner eigenen Identität schuf. Ich habe die Beziehungen zu meinen verschiedenen Bezugspersonen zu verstehen gelernt, die Konstellationen und Dynamiken, welche aufgebaut wurden und wie sie aufgebaut wurden. "Die Wut, die bleibt" gibt Einsicht. Und sie macht wütend.

Helene, die Mutter dreier Kinder, begeht Suizid. Während eines normalen Abendessens, öffnet sie die Balkontüre und stürzt sich hinunter. Tot. Es ist ein unerwarteter Start, ein dunkler, in ein Buch mit verschlüsselten Messages, mit der noch unaufgedeckten Wahrheit. Wieso hat sie sich umgebracht? Was war der Grund für diesen Entscheid? Den ganzen Roman hindurch, bleibt diese Frage offen und unbeantwortet und doch werden die Gründe von Seite zu Seite offensichtlicher. Sarah, Helenes beste Freundin, ist auf der Suche nach einer Antwort und begibt sich in das Chaos des Mutter-Seins. Sie hütet die drei Kinder, vor allem die zwei jüngeren- Lucius und den kleinen Maxi. Lola, die ältere Tochter, isoliert sich, geht ihren eigenen Weg der Selbstbestimmung. Sie erkennt ihre Rolle in der Gesellschaft und möchte dagegen ankämpfen. Die Konditionierung von weiblich gelesenen Personen ist wie ein schleichender Nebel, der einen zu verschlucken droht. Die Welt ist gar nicht so düster, wie sie zu scheinen meint. Erst als der klare Blick durchdringt, kann der Widerstand beginnen. Sie ballt ihre Faust. Lola erkennt das Muster der Frauen, das ihrer Mutter, ihrer Grossmutter und von Sarah. Sie entscheidet sich für den anderen Weg, den gegen die Erwartungen ihres Umfelds. Sie wird laut und hässig. Sie wehrt sich gegen die Ungerechtigkeit, welche ihr Tag für Tag ins Gesicht geworfen wird und schmeisst sie zurück. Sie sucht den Kampf. Den Kampf gegen das Patriarchat. Mitsamt ihren drei Freundinnen Sunny, Alva und Femme, bildet sie eine Gang, einen Untergrund, der zurückschlägt. Sie suchen sich ihre Opfer- oder soll mensch sagen, Täter- und machen sie fertig.

Währenddessen verliert sich Sarah in ihren Aufgaben und Pflichten als Ersatzmutter und schlägt sich nur schwer gegen die Verantwortung, die sie übernommen hat. Johannes, Helenes Mann, leistet wenig Unterstützung: Doch das ist okay, denn er ist ein Mann und zu schwach, um die hinterlassene Verantwortung zu übernehmen. Er muss sich seiner Arbeit widmen und das Geld anschaffen. Mehr nicht. Sarah übernimmt das "Mehr" und verliert sich. Sie beginnt Helenes Verzweiflung zu verstehen, die Hilflosigkeit, die Aussichtslosigkeit.


Als Leserin hat mir dieses Buch gelehrt die Strukturen zu durchschauen. Ich habe eine Wut verspürt, die noch immer da ist und schwer auszulöschen. Mareike Fallwickls Roman graviert sich ein ins Gedächtnis und lässt einen nicht los. Ein Schlag in die Magengrube. Die Ungerechtigkeit ist unübersehbar und steuert jeden Atemzug. Wer danach nicht feministisch ist, hat den Sinn nicht verstanden.

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